Melissa Stemmer
Bikepacking Trip: Transalp - Augsburg bis Gardasee
Hätte mich jemand vor zwei Jahren gefragt, ob ich 500km quer durch drei Länder auf meinem Rennrad fahren möchte, hätte ich ihn oder sie höchstwahrscheinlich ausgelacht. Wisst ihr, wenn ihr euch erst mit einer Sache so richtig beschäftigt, dann ist es für euch erst möglich eine Entscheidung zu treffen, obviously. Das mit dem Rennradfahren, hat eigentlich von jetzt auf gleich angefangen und seit dem sind mein Freund und ich hin und weg. Ich mein: wie kann man bei sowas auch NICHT hyped sein. Und wie es dann so ist mit neuen Dingen, man lernt alles drum herum kennen. Andere Leute in der Umgebung, man lernt die Community besser kennen, folgt auf den soziale Medien mehr Personen mit Fahrrad Content, kauft sich geile Klamotten (weil Style is ja wichtig) und probiert einfach mal so herum. Ich habe schnell gemerkt, dass ich eine von den langsamen bin xD OBWOHL ich seit dem ich 12 Jahre alt bin, gefühlt jeden Tag Sport mache und gedacht habe, ich sei trainiert. Pustekuchen. Nach einer kurzen Zeit hatte ich auch schon meinen ersten Unfall und musste leider die unschöne Seite des Radfahrens kennenlernen, das hat der Sache mit dem Tempo dann leider auch keinen Aufschwung gegeben: im Gegenteil. Ich war / bin immer noch sehr ängstlich unterwegs. Naja ich schweife ab vom eigentlichen Thema: die Bikepacking Tour. Gestartet sind wir in Augsburg, dem Heimatort meines Freundes. Wir hatten jeweils eine Rahmentasche und eine Satteltasche dabei. Mehr nicht. Davor hätte ich mir auch niemals ausmalen können, einmal mit so wenig Gepäck unterwegs zu sein. Zwei Outfits, Unterhosen, Hygienezeug, Jerseys und Bibs, sowie Ladekabel, Akkus und Schlappen passten in diese kleinen Taschen hinein. Eine Regenjacke hatte ich mir auch ein paar Tage zuvor eeeeendlich zugelegt und es konnte dann auch schon losgehen.
23.08.21 - Etappe 1: Augsburg bis Lechbruck - 105km; 508hm
07:00 Uhr morgens ging der Wecker. Ein Blick aus dem Fenster und schon der erste Stimmungsdrücker: Regen! Zum Glück hatte ich ja jetzt eine Regenjacke, also nur halb so schlimm. Also rein in die Rennrad Klamotten und rauf auf's Fahrrad! Zusammen fuhren wir die ersten Stunden erstmal im strömenden Regen durch Wald und Felder. Im Kopf dachte ich mir immer wieder: einfach weiterfahren ... irgendwann hört es schon auf. Und das tat es auch... für ein paar Minuten. Bis es dann wieder richtig anfing, sodass alles nass wurde. Bis auf das Oberteil, denn das war ja dank der Regenjacke von der Nässe geschützt. Nach der Hälfte ungefähr brauchten wir beide dann mal Mittagessen und kehrten bei einem Bäcker ein. Komplett durchnässt gab's Tee und Brötchen und nach ein paar Minuten sahen wir endlich die Sonne wieder! Glücksgefühle. Nach der kleinen Stärkung ging's weiter: diesmal trocken und mit besserer Stimmung. Über uns waren zwar immer mal wieder dunkle Wolken, aber wenigstens kein Dauerregen! Es ging weiter durch kleine Dörfer und Wiesen: Bayern eben! Nach ca 80km erreichten wir einen kleinen Info Platz zur Via Claudia: der Weg auf dem wir unterwegs waren. Hatte irgendwas mit Römern zu tun und sowas, keine Ahnung, interessiert mich eigentlich nicht so viel, aber war trotzdem schön xD
15km weiter waren wir dann schon bei unserem ersten Ziel angelangt! Ein schöner See entpuppte sich hinter den Hügeln und wir konnten schon die Berge sehen. Und hier ist es wirklich JEDES mal auf's neue ein kleines Wunder für mich. Sobald ich die Berge sehe, freue ich mich unglaublich. Egal wie oft und egal in welchem zeitlichen Abstand ich dort bin: es löst immer wieder ein Heimatgefühl in mir aus. Unsere Unterkunft war eine süße kleine und sehr alte Pension, umgeben von Rentnern, aber mir gemütlichem Bett und einer warmen Dusche. Nach ein bisschen Recherche im Internet, haben wir dann ein Restaurant auserkoren, was vielleeeeeicht auch veganes Essen zaubern konnte. Yes!
24.08.21 Etappe 2 - Lechbruck bis Lermoos - 55,5km; 700hm Nach einem gemütlichen Frühstück mit ganz viel Obst (xD) ging es dann wieder auf's Fahrrad. Draußen war es ziemlich frisch und dunstig. Vor lauter Nebel konnten wir leider keine Berge sehen. Nach 20km hatte ich dann auch meinen ersten Platten. Doch dank Flickzeug, war das Loch schnell gestopft und wir konnten zügig weiterfahren nach Füssen. Da gab es nämlich ein veganes Café, das durfte man natürlich nicht auslassen! Angekommen in Füssen, wurde man wieder von tausend Menschen überrumpelt. Jedes mal ist es für mich ein kleiner Flash, wenn man so aus dem dem NICHTS in eine überlaufende Stadt kommt. Zusätzlich waren wir natürlich die Attraktion schlecht hin, mit Rennradschuhen über Pflastersteine (einige hielten uns für Pferde) und den Rennrädern , die natürlich auch nicht gerade leise waren. Aber was soll man machen: einfach lächeln. Anschließend ging es dann noch einige Meter nach oben und dann waren wir auch schon in Österreich. Ein kleines nettes Dorf, die Zugspitze direkt vor der Tür und eine Bike-Wash Anlage direkt nebenan. Unsere Räder hatten es bitter nötig. Am Abend gab es die schlechteste Pizza ever und noch einen Spaziergang durch den Wald (don't ask me why, war nicht meine Idee). An dem Tag hab ich dann auch noch meine Tage bekommen (ein Grund, warum wir die Tour ein bisschen auseinander gezogen haben). Für's erste Mal Bikepacking, wollten wir es so angenehm wie möglich machen!
25.08.21 Etappe 3 - Lermoos bis Pfunds - 87km; 1.080hm 3. Tag - Top vorbereitet in den Tag gestartet. Mit Müsli und O-Saft! In dieser Pension musste man am Buffet Handschuhe tragen, bei manch anderen nicht einmal eine Maske - naja jeder handhabt es halt anders. Früh morgens setzten wir uns wieder in Bewegung, denn heute Stand der erste Pass auf dem Plan und das hieß Höhenmeter! Den Fernpass passierten wir über einen schottrigen Weg, eigentlich eher für Mountainbikes geeignet, doch mein Freund hat ja zum Glück ein Gravelbike und ich Reifen mit guten Profil, sodass es nicht ganz so schwierig war. Tatsächlich waren wir schon nach kurzer Zeit oben und wir dachten , dass sei wohl ein schlechter Scherz. Man denkt sich ja vorher immer Szenarien aus, die dann bei weitem nicht so tragisch sind wie man dachte. Also: weniger denken, sondern lieber im Moment sein und es so hinnehmen wie es ist. Den Fernpass würden wir beide jedoch eher als leicht einstufen. Danach ging es vorbei an Campingplätzen und hindurch durch Wälder, wir kamen an einer Fahrradstation vorbei, pumpten unsere Räder auf und fuhren weiter in Richtung Pfunds. Am Ende der Strecke wurde es besonders schön: die Sonne ballerte richtig und von den kühlen 11 Grad und Nieselregel war jede Spur verstrichen! Der Hochsommer und die kurzen Jerseys waren wieder angesagt. Es ging vorbei an einem Fluss und tief in die Berge hinein bis wir in Pfunds ankamen. Ein kleiner süßer Ort mit einer wunderschönen Altstadt. Unsere Pension war ebenso alt und muffig, aber doch irgendwie ganz niedlich. Der Fluss hingegen war ziemlich laut und abends dachte man sich dann, das Rauschen könnte man jetzt aber auch mal ausmachen. Naja. Meckern auf hohem Niveau.
26.08.21 Etappe 4 - Pfunds bis Glurns - 61km; 1300hm 4. Tag Die Beine taten schon ein wenig weg, doch der nächste Pass ließ nicht lange auf sich warten. Vorbei an einer schönen Schlucht im Morgenlicht ging es weiter. Diesmal durchstreiften wir sogar die Schweiz für ein kleines Stück. Nach einiger Zeit auf der Straße, ging es dann wieder einen schottrigen Weg steil hinauf. Diesmal war es wirklich steil. Im kleinsten Gang und mit viel Sauerstoff in der Lunge, ging es hinauf. Auf dem Weg gab es einen ziemlich unheimlichen Tunnel, der so dunkel war, dass wir unsere Taschenlampen anmachen mussten. Nach ca. 1h waren wir oben angekommen. Ein tolles Gefühl! Danach ging es auf der Straße wieder bergab, zu einer kurzen Snackpause am Supermarkt, wo wir noch andere Sportbegeisterte Leute trafen. Immer wieder schön sich auszutauschen. Dann ging es weiter und nach kurzer Zeit sahen wir auch schon das Schild: Italien! Verrückt, wie schnell man dann doch schon da ist. Glurns hat mich sehr beeindruckt. Überall Äpfel, die Berge im Hintergrund, eine schöne Altstadt, richtig romantisch. Dort gab es dann auch die gute Pizza haha.
27.08.21 Etappe 5 - Glurns bis Meran - 63km 86hm Der Kopf hat sich von nun an, auf wenig Anstrengung eingestellt. Ein traumhafter Radweg führte endlang an Flüssen und durch die Apfelfelder. Es ging gefühlt nur bergab und man konnte wieder schön Gas geben. Nach kurzer Zeit erreichten wir auch schon Meran. Eine wunder wunderschöne Stadt mit vielen Menschen, aber einer tollen Architektur und Romantik. Dort gab es das beste vegane Foccacia ever, das Hostel war hingegen nicht so toll. Naja für eine Nacht reicht's.
28.08.21 Etappe 6 - Meran bis Trento - 98km; 365hm Der Weg zog sich ziemlich und war bei weitem nicht so schön wie die Wege zuvor. Zudem konnten wir auch keine Mittagspause machen und kamen total ausgehungert nach 4h in Trento an. Auch eine sehr schöne Stadt, viele Menschen und gemeingefährliche Autofahrer. Der Verkehr in Italien ist wirklich anders xD Unser Hotel lag oben auf dem Berg, sodass wir die letzten Meter noch durch enge Gassen hinauf fahren mussten. Es lohnte sich aber, denn dort wartete ein 4 Sterne Hotel auf uns mit Blick über Trento. Abends gingen wir dann noch spazieren, holten Radler und bestellten uns veganes food auf's Zimmer.
29.08.21 Etappe 7 - Trento bis Lago di Garda - 43km; 153hm Nach einer kleinen Fahrt durch den wilden Verkehr von Italien, kamen wir dann auch schon am Gardasee an. Komplett überfüllt von Autos, Fahrradfahrer*innen und Spaziergänger*innen, kehrten wir in unserem Bike Hotel ein, was sich als kompletter Reinfall entpuppte. Angeblich waren das auch 4 Sterne, aber halt 4 Sterne am Gardasee. Es sah eher aus wie ein Betonklotz und man fühlte sich wie in einer Lagerhalle, wenn man beim Frühstück saß, ah ja und das durfte man sich auch nicht selber nehmen. Naja immer hin gab es Sojamilch. Wir verbrachten noch zwei Tage am Gardasee und machten noch eine Ausflug zum Lago di Ledro. Sehr schön!
Insgesamt würde ich bzw. wir aber nie länger am Gardasee bleiben, dafür ist es dort viel zu voll. Mir persönlich haben die kleinen Dörfer und die Ruhe viel besser gefallen. Glurns und Meran haben mich am meisten beeindruckt, die anderen Dörfer, waren aber von der Geborgenheit und dem Gefühl zu Hause zu sein, viel weiter oben, als Meran, Trento oder der Gardasee. Lustigerweise hat uns die Strecke über den Pass auch am besten gefallen. Hätte ich vorher auch nie geglaubt, aber die Steigung, der Weg, die Aussicht, die Berge, das hat schon was. Viel mehr als der Tumult. Viel mehr als all das Angebot, was es in den großen Städten gibt. Ruhe. Ich würde so einen Trip immer wieder machen. Einfach seine 7 Sachen packen, ein Bike schnappen und los gehts. Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl.